Vor etwas über zwei Jahren ist mein Nachwuchspferd bei uns eingezogen. Ich habe von unserer Holly, der neugierigsten Paint Stute überhaupt, bereits mehrfach berichtet. Sie ist mein engster pferdischer Begleiter geworden und hat sich längst ihren eigenen Spitznamen verdient: Hutze. Mit ihr hat sich für mich ein Traum erfüllt, nachdem ich in den letzten Jahren so viel anderen Menschen mit ihren Jungpferden geholfen habe nun auch endlich selbst eines vom Absetzeralter an aufziehen und zum Reitpferd ausbilden zu dürfen.
Und mit dieser Ausgangslage brachen damals im Frühjahr 2019 ganz plötzlich alle Sorgen des Jungpferdebesitzer-Daseins über mich hinein. Was wenn ich einen Fehler mache? Was wenn ich viele Fehler mache? Was wenn dieses wunderschöne kleine Pferd und ich nicht zusammen passen, mein Bauchgefühl mich da einfach getäuscht hat? Aber ich durfte dafür auch alle Freuden des Jungpferdebesitzers erleben: Die erste Putzeinheit, der erste Spaziergang, das erste „Training“.
In all unseren gemeinsamen Abenteuern war aber immer ein großer Augenblick am Horizont, ein Moment, auf den wir mehr oder weniger bewusst all die Zeit zusammen hintrainiert haben: der erste gemeinsame Ritt! Ich hatte ganz konkrete Pläne dafür im Kopf, ich wollte nicht zum Reiten aufsteigen bevor sie 4 Jahre alt sein würde. Ich wollte sie ausführlichst am Boden darauf vorbereitet haben, mit allem was die Bodenarbeit so zu bieten hat. Balancetraining, Longe und Doppellonge, Handarbeit, Langzügel, sehr viel Sattelgewöhnung, Gelassenheitstraining, Handpferdereiten. Dann natürlich Gewöhnung an die altkalifornische Hackamore. Ich hatte einen sehr detaillierten Plan.
Im Frühjahr diesen Jahres allerdings habe ich gemerkt, dass man Pläne nicht ohne das Pferd schmieden kann. Hutze hat ihren eigenen Kopf und ihre eigenen Stärken. Longieren zählt da eher nicht dazu. Hier wird sie schnell unkonzentriert und beginnt zu rennen und buckeln, wenn ich den Punkt verpasse ihre Aufmerksamkeit zu mir zurück zu lenken. Wir haben viel ausprobiert und getestet woran das liegt, ein paar Wochen hat mich das total gefuchst. Schließlich wollte ich vor dem Anreiten im nächsten Jahr doch alles perfekt haben. Da sollte sie doch schon sicher in allen Gangarten an Longe und Doppellonge laufen.
In der Zwischenzeit lief es aber in allen anderen Bereichen unserer gemeinsamen Arbeit richtig gut. Wir haben mit einiger Vorbereitung in Form von Köprerbändern und Longiergurt irgendwann mit der Gewöhnung an ein weiches Reitpad begonnen. Auch mit dem Bosal, das im Mai einzog hatte Hutze absolut kein Problem. Handarbeit, Spazieren gehen, Handpferdereiten, alles keine große Sache für sie. Aufstiegshilfe und mein Bein über den Rücken legen? Ach das ist doch Kinderkram! Ich durfte sogar auf der einen Seite auf und auf der anderes Seite gleich wieder absteigen, sie stand wie eine Eins, während mein Mann von unten auf uns aufgepasst hat. Und dann hat sie mich total überrascht und mir den Galopp an der Hand angeboten, sortiert und langsam, obwohl ihr genau der ja in der Longierposition immer etwas schwer fällt.
Irgendwie sagte mein Bauchgefühl schließlich: wir sind bereit einen Sattel in die Gleichung dazuzunehmen. Mit dem Sattler meines Vertrauens und dank Equiscan Vermessung habe ich ihr dann also einen Maßsattel organisiert (ein gebrauchter Leihsattel aus dem Jungpferdeprogramm aber extra auf ihren Rücken angepasst!), den ich pünktlich zum Beginn meines Urlaubs Ende Juni abholen durfte. Das eigene Jungpferd das erste Mal in voller Reitmontur sehen, das war ein ganz seltsames Gefühl. In meinem Kopf ist sie immer noch die kleine Jährlingsstute, die alle so hässlich fanden, außer mir und meinem Mann Sven.
Der hatte im Übrigen schon seit Wochen gesagt, ich solle doch endlich Mal richtig aufsteigen und eine Runde drehen. Bei jedem anderen Pferd hätte ich das längst getan. Und da hatte er gar nicht so unrecht. Ich steige meist auf, wenn ich einem Pferd ausreichend vertraue. Vertrauen verdient sich das Pferd nicht darin perfekt alle Übungen abspulen zu können, sondern indem es sich als wahrer Partner beweist. Natürlich müssen gewisse Dinge sitzen, ich brauche eine Notbremse, das Pferd darf keine Ressentiments gegen mich oder die Reitausrüstung verspüren. Aber das Vertrauen, das ist für mich der entscheidende Punkt!
Die ersten Einheiten mit Sattel hat Hutze dann in meinem Urlaub wie eine große absolviert. Zwischen Sattel und Reitpad hat sie keinen Unterschied gemacht, alles war quasi wie immer, bzw. wie wir es eben in den Wochen und Monaten zuvor geübt hatten. Bei der dritten Einheit meinte mein Mann ich solle doch einfach Mal den Reithelm mit zum Reitplatz nehmen. Dagegen musste ich mich erstmal ziemlich sträuben, schließlich ist Hutze erst 3 Jahre alt und mein Plan sieht ganz anders aus! Im Laufe der Einheit stellte sich dann aber so ein Gefühl ein. Alles war so entspannt und passend: es war noch am frühen Vormittag, Hutze kam zufrieden und gemütlich von der Koppel. Der Tag war bewölkt und ohne Stechviecher, am Stall war es ganz ruhig. Sven, mein liebster Co-Pilot wenn es ums Anreiten geht war auch da und grinste schon über das ganze Gesicht.
Und dann hab ich mir und meinen ganzen Plänen einen großen Ruck gegeben und bin mit etwas wackeligen Beinen meinen Reithelm holen gegangen. Sven und Hutze warteten dann schon am Aufstiegsblock auf mich. Und irgendwie war ich plöztlich oben. Ganz unspektakulär, kein großes Ausbalancieren, kein Schritt zur Seite, als mein Gewicht in den Sattel kam. Dann gings auch schon ganz vorsichtig und langsam los im Schritt. Sven war unten für alles zuständig, mein Job bestand nur darin gut zu sitzen und viel mit zu loben. Große Ehrfurcht habe ich empfunden, dafür auf diesem Ehrenplatz thronen zu dürfen. Irgendwann unterwegs kamen mir sogar ein paar Tränchen. Das war der große Moment auf den ich gewartet habe! Und es fühlte sich so grandios an! Obwohl ich schon mit anderen Pferden den ersten Ritt erlebt habe, das hier war unserer!
Nach zwei Runden im Schritt war Feierabend, ich habe Hutze mit Leckerlie und Krauleinheiten überschüttet. Und erst dann ging mein innerer Experte wieder an. Ein bisschen habe ich mich geschämt dafür, mich nicht an meinen Plan gehalten zu haben. Als Pferdeverhaltenstherapeutin kenne ich mich mit der Entwicklung von Pferden aus und weiß, dass sie nicht vor 7 jährig ausgewachsen sind und das Anreiten nicht zu früh erfolgen sollte. Entscheidend ist die Knochenentwicklung, bzw. das Schließen der Wachstumsfugen, welches meist 4-5 jährig erfolgt. Zu frühe Belastung schädigt das Pferd!
Ich glaube aber, dass ich die Belastung in diesem Fall minimal gehalten habe. Hutze hat zu keinem Zeitpunkt ein Unwohlsein geäußert und war mental wie körperlich sehr gut für diesen Moment vorbereitet. Und von Reiten sind wir noch immer weit entfernt. Ein zweites Mal in meinem Urlaub kam es schließlich noch zu einer Runde, in der Sven uns sogar für ein Foto kurz vom Seil gelassen hat. Auch hier war der „Spuk“ nach einer Runde im Schritt vorbei. Geplant ist in einem sehr gemütlichen Tempo diese sanfte Reitergewicht Gewöhnung fortzuführen, nur dann aufzusteigen wenn alles passt und Hutze grünes Licht dafür gibt. So fühlt sich das ganze Thema Reiten für Hutze und mich im Moment sehr Schwellenlos an. Und ich kann mir gut vorstellen, reiterlich so richtig erst im nächsten Jahr loszulegen.
Vielleicht werde ich an anderer Stelle noch über ein paar methodische Details sprechen, die uns drei ermöglicht haben diesen einen wundervollen Augenblick so entspannt zu genießen. Aber im Moment gehe ich da konform mit Albert Einstein: „Es gibt nur zwei Arten zu leben: Entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so als wäre alles ein Wunder.“ Dieses kleine Wunder, das mir Hutze geschenkt hat, will ich nicht erklären, sondern teilen.