Trainingstipps

Anreiten – Ideen und Wege

Seit Frühjahr 2018 darf ich meinen Mann mit seinem ersten Pferd begleiten: eine 2015 geborene Spanier-Quarter-Mix Stute mit Namen Rose. Als Rose letztes Jahr zu uns kam, war sie weitgehend roh. Nicht nur für meinen Mann, der zuvor vielleicht 20 Mal im Sattel saß, sondern auch für mich eine große Herausforderung. Wie kann man einem jungen Pferd ein guter Lehrer und Freund sein? Wie kann man ein Jungpferd fördern ohne es zu überfordern? Schließlich sind unsere Ansprüche an ein Freizeitpferd Dank sozialer Netzwerke und besser verfügbaren Wissen zur Ausbildung vielleicht höher denn je. Wie erhält man sich und dem pferdischen Grünschnabel also über den weiten Weg in den Sattel trotz Allem Motivation und Freude? Aus dem letzten Jahr fasse ich hier einige meiner Ideen zum Anreiten zusammen.

Rose war nicht das erste Jungpferd, das ich trainiert habe. Aber für meinen Mann war es das natürlich und er wollte unter keinen Umständen Fehler begehen. Eine Einstellung die ich in gewisser Weise bei allen Jungpferdebesitzern sehe und die immer für einen gewissen Druck bei allen Beteiligten sorgt. Deshalb, aber auch weil Rose Wachstumsmäßig eher ein Spätzünder ist, habe ich den beiden viele Monate Bodenarbeit verordnet, bevor es im Frühjahr 2019 in den Sattel ging. Die ersten 3-4 Monate waren gefüllt mit Führtraining und nachgeholtem FohlenABC. Zwischen Hufe geben, ordentlich am Putzplatz stehen und den Menschen am anderen Ende des Führseils beachten sind wir alle enger zusammengewachsen.

Ursprünglich hatte ich geplant diese Phase viel mit Freiarbeit zu verbringen. Rosies aufbrausender Charakter, zusammen mit einer stark ausgeprägten natürlichen Schiefe, die zur Folge hatte, dass sie jede Kurve nur tief über den Boden geneigt, wie ein Motorrad-Rennfahrer, nehmen konnte, haben mir da aber einen dicken Strich durch meine Rechnung gemacht. Stattdessen mussten wir viele Natural Horsemanship Grundübungen machen, bei denen sie lernte auf ihren Körper und auf den Menschen zu vertrauen. Begonnen haben wir mit Einheiten von 10min und uns über 6-8Wochen gesteigert auf 25min.

Longieren hatten wir im Frühsommer so langsam im Griff. Anfangs nur auf Natural Horsemanship Ebene im Schritt und Trab, dann mit zunehmendem Fokus auf ihre Biegung, damit sie lernte, ihren Körper zu biegen, statt in die Kurve zu legen. Dazu haben wir viel nach Babette Teschen gearbeitet. Meist durfte ich dazu die Grundlagen jeder Übung „installieren“, dann hat mein Mann übernommen. Denn was nützt einem der beste Beritt/das beste Training, wenn man mit seinem Pferd dann doch nicht alleine umgehen kann? Irgendwann kam auf diesem Wege der Galopp von ganz allein dazu und war auch kein Problem mehr.

Mein Grundsatz lautete in dieser Zeit „Das Pferd niemals in den Schweiß trainieren“. Was bringt das beste Muskeltraining, wenn mein Pferd mir den Dienst verweigert? Und wenn man bedenkt, wie viele Jahre Zusammenarbeit mit dem Menschen vor einem jungen Pferd noch liegen, wieso sollte ich diese Arbeit von Anfang an als einen Zwang bzw. als etwas unangenehmes etablieren?

Hand in Hand mit dem Longieren als Dialog ging dann auch die Gewöhnung an den Sattel. Angefangen haben wir aber nicht, wie ich es früher immer gemacht habe, direkt mit dem endgültigen Sattel. Stattdessen habe ich mich für ein günstiges Reitpad entschieden, es hätte auch ein Brockkamp oder Barefoot Reitpad werden können, sofern ich die damals schon besessen hätte. Vorteil am Billigteil vom Krämer war aber, das fiel uns erst später auf, dass ich daran Steigbügel befestigen konnte. Das erste Mal Training mit Reitpad war im Mai 2019, das Upgrade auf leichte (und laut klappernde!) Plastiksteigbügel kam Mitte Juli und war so unspektakulär, dass ich es selbst kaum glauben konnte.

Der erste richtige Sattel, ein sehr leichter Westernsattel den wir eigens zu dem Zweck gekauft und aufgearbeitet haben, kam dann Mitte August. Mein Mann war so euphorisch zu diesem Zeitpunkt, dass ich ihn mehrmals daran erinnern musste, dass wir vor dem Winter noch gar nicht reiten wollten. Aber mit dem Westernsattel kamen immerhin die ersten Aufstiegsversuche. Ich habe nach dem Prinzip Annäherung und Rückzug gearbeitet, einparken an der Aufstiegshilfe, immer nur kurz hoch, drüberhängen, wieder runter. Später in den Sattel setzen und sofort, oder eben dann wenn Rose sich entspannen konnte, runter. Mein Mann war da dann die treibende Kraft, dass wir dies doch schon vor der Winterpause gemacht haben.

Soweit so gut, aber: Rose wuchs über den Herbst stark (für ihre Verhältnisse) in die Breite. Wir haben unser Training ein wenig mehr auf Muskelaufbau ausgelegt. Es hieß also bald nach einem Sattel Ausschau zu halten, in dem dann auch die ersten Schritte unter dem Reiter stattfinden könnten. Während der Zeit haben wir mit dem Showmanship Training begonnen. Eine Westerndisziplin, bei der das Pferd lernt sich sehr präzise führen zu lassen. Einige Manöver wie das Setup (geschlossen aufstellen) und die Hinterhandwendung schulen auch die Balance, für Rose also eine super Vorbereitung auf das Reitpferdedasein. Außerdem gab es sehr viel Nachgiebigkeitstraining (Vorbereitung auf die Zügel). Denn wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden, mit welcher Zäumung die ersten Reitversuche stattfinden sollten.

Ein Gebiss schied leider recht schnell aus, ich habe ein paar aus meinem Fundus durchprobiert, aber ohne bis dahin ein Passendes gefunden zu haben. Ein Sidepull oder Knotenhalfter war mir allerdings nicht sicher genug. Die ersten Reitversuche haben wir deshalb mit dem Equizaum unternommen, ein Multifunktionskappzaum. Die entscheidende Idee hatte dann mein Mann, der mit der altkalifornischen Reitweise liebäugelt. Wir entschieden uns für eine Hackamore (also Bosal und Mecate), weil es den Vorteil bietet, dass man zusätzlich zu den geschlossenen Zügeln auch noch einen Führstrick hat.

Bei uns im Stall kam das nicht nur gut an. Viele können mit dieser Zäumung aus Unwissenheit oder Halbwissen nichts anfangen, oder sagen sie sei grundsätzlich zu scharf. Man könnte das Pferd nicht so nachgiebig am Zügel haben, wie an einem Snaffle Bit. Ich muss aber sagen, wenn das Bosal gut angepasst ist und man in eine hochwertige Mecate investiert, ist die Hackamore ein super Werkzeug.

Im Januar hatten wir dann also ein paar Sättel zur Probe. Auf dem Favoriten hat mein Mann dann seine ersten Runden auf seinem eigenen Pferd gedreht. Etwas wackelig, aber konzentriert und willig hat seine Rose ihn über den verschneiten Reitplatz getragen. Ein paar Wochen später als der Winter uns weniger hart im Griff hatte, wurden aus den geführten Schrittrunden dann die ersten allein gerittenen Runden. Zwischendrin bin ich immer wieder Mal auch geritten, um Lenkung und Bremse zu justieren. Es war eine Freude, denn Rose hat tatsächlich alles, was wir am Boden geübt hatten, recht mühelos unter den Sattel übertragen können.

Jetzt ein halbes Jahr später, wird sie 1 bis maximal 2 Mal die Woche geritten. Ein paar erste Ausritte gab es auch schon, wobei die für sie vermutlich sogar entspannter sind. Denn geritten wird im Gelände nur immer Mal wieder, in 5-10 minütigen Intervallen, den Rest läuft der Zweibeiner eben mit. Noch ist es oft kein sportliches Reiten, aber wir tasten uns immer mehr dort hin. Das Beste ist für mich, dass man sich auf ihr immer wohl fühlen kann und sie niemals den Dienst verweigert, auch wenn ihr eine Sache schwer erscheint. Sie ist ein freundliches gelehriges Pferd geworden, das mit uns durch dick und dünn geht. In meinen Augen hat sich die extrem langsame Herangehensweise sehr gelohnt. Statt in den in vielen Ställen obligatorischen 3 Monaten, hat sie in 12 Monaten unter den Sattel gefunden. Mein Mann ist so sehr mit ihr zusammengewachsen, dass er inzwischen meinen liebsten Grundsatz nachempfinden kann: Harmonisches Reiten ist die Krönung einer guten Beziehung.