Diverses

Vom Einreiten – Ein realistisches Resümee nach 6 Monaten

Ziemlich genau sechs Monate ist es nun her, dass ich mich zum ersten Mal auf den Rücken meines Nachwuchspferdes geschwungen habe. Über dieses wahnsinnig tolle „Once in a Lifetime“ Erlebnis habe ich im Sommer stolz berichtet. Schon damals habe ich angekündigt, den ganzen Prozess von An- und Einreiten irgendwann noch von einer weniger emotionalen, sondern mehr technischen Seite zu betrachten. Auch für all diejenigen, die der Ausbildung ihres eigenen Jungpferdes entgegen fiebern!

Was ist also in den letzten sechs Monaten geschehen? Vielleicht sollte ich betonen, dass unser Reitprogramm sehr langsam und schonend ablief. Und natürlich extrem individuell, was für Hutze und mich gut funktioniert hat, wäre für ein anderes Team eventuell eher kontraproduktiv. Dies hier ist demnach keine Anleitung, sondern ein Beispiel dafür, wie die Grundausbildung einer jungen Remonte aussehen kann.

Wie viel Vorbereitung ins eigentliche Reiten geflossen ist, könnt ihr zudem in meinem Bericht vom Sommer nachlesen. Im Folgenden soll es vorwiegend ums Reiten gehen! Die ersten drei Monate habe ich Hutze dennoch kaum mehr als 20min geritten, einmal pro Woche (die restlichen wöchentlichen Einheiten habe ich am Boden natürlich abwechslungsreich gestaltet!). Ich hatte bei den ersten Ritten immer Begleitung von meinem Mann, der mir am Boden seine Augen geliehen hat und half, wenn eine Situation sich unübersichtlich anfühlte.

Die ersten Ritte hatte mich Sven zunächst geführt, ich habe gar nichts gemacht. Mit gut abgesprochenem Timing habe ich sanfte Reiterhilfen eingeschlichen und Hutze so schrittweise erklärt, was mein Gewicht, meine Beine und meine Zügelhilfen bedeuten. Alles was wir am Boden gemacht haben, hat sie darauf schon optimal vorbereitet: Zügelhilfen, Schenkelhilfen (in Form von Gertensignalen und Berührungen mit meiner Hand), Stimmsignale. Unser Werkzeugkasten in Sachen Verständigung war bereits gut gefüllt.

Sven hat sich dann innerhalb etwa drei Einheiten mehr und mehr zurück gezogen, unter anderem auch weil ich eine Hackamore als Zäumung gewählt habe, also ein Bosal mit Mecate, an deren Lead Rope Sven natürlich nicht so agieren konnte wie etwa an einer Longe.

Sehr viel Schritt, auch über Stangen und Trail Elemente war was wir zunächst gemacht hatten. Alles Objekte, die sie bereits ausführlich aus unserer Bodenarbeit kannte. Gleichzeitig konnte sie so Recht schnell Selbstsicherheit mit dem ausbalancieren des Reitergewichts entwickeln. Das ein oder andere kleine Scheuen oder Buckeln war zwar dabei, aber sie blieb insgesamt immer nervenstark. Dabei waren wir Mal alleine, Mal in Begleitung von Hutzes bester Freundin meiner alten Haflinger Dame Ginger.

Überhaupt habe ich mir viel unsere anderen Pferde zu Hilfe geholt. Nach etwa zwei Monaten haben wir immer mehr auch die anderen Gangarten hinzu genommen. Sven hat uns auf seiner Rosie begleitet, zwar nicht als Handpferd, wie ich mir das vor einigen Jahren erträumt hatte, aber trotzdem waren die beiden eine enorme Hilfe. Rosie ist inzwischen sehr zuverlässig und erfahren, was Hutze sehr zu Gute kam. Für unseren ersten Trab sind Rosie und Sven uns deshalb vorausgetrabt. Es war ein lustiges Gefühl, weil ich unter mir spürte wie Hutze bei Rosies Anblick im Trab auch traben wollte aber etwas zögerlich „fragte“ wie das denn funktionieren sollte. Als sie die Antwort gefunden hatte, hat sie laut ausgeprustet. Unser gemeinsames Entspannungssignal.

Genau so haben wir das zwei Einheiten später mit dem Galopp gemacht. Mit zwei, drei unausbalancierten Galoppsprüngen, die sich ein wenig nach Buckeln anfühlten haben wir den dritten Gang dann ziemlich geschmeidig und problemlos gefunden. Von Anfang an war der Galopp auf der Rechten Hand etwas schwerer und Hutze landete öfter im Außengalopp. Aber das war erstmal Nebensache. Das gute Gefühl von Teamwork war erstmal wichtiger, als die Balance die mit der Zeit noch kommen wird.

Zudem haben wir viele Basis Übungen gemacht, Vor- und Hinterhand Wendung, Rückwärts, Biegung, Seitwärts. Außerdem habe ich ein wenig getestet und mich dazu entschieden mit Sporen zu reiten, da sie mir je nach Tagesform etwas zu entspannt und Energiesparend war. Unsere Reiteinheiten blieben bei einmal pro Woche und steigerten sich langsam auf 30min. Als Hutze und ich Lenkung, Bremse und Gas dann ganz gut im Griff hatten ging es relativ spontan ins Gelände hinaus.

Für zarte 20min auf dem Schnurgeraden Feldweg hinter unserem Dorf, von uns liebevoll Wiesenhighway genannt. Ich bin außerhalb des Dorfes aufgestiegen, das hatten wir Zuhause inzwischen zwei oder drei Mal geübt. Trotzdem war ich ein nervliches Wrack und hatte für ungefähr 10m vergessen wie man reitet. Sven und Rosie haben uns auch hier wieder sehr geholfen. Hutze wäre am liebsten losgetrabt, aber das hatten wir nach ungefähr 5min ausdiskutiert. Das kenne ich schon von unseren Spaziergängen, hat mich aber ziemlich gefordert. Zuerst waren Hutze und ich hinter Sven und Rosie, später haben wir Position getauscht . Am Ende bin ich vor der Dorfstraße wieder abgestiegen und habe trotz der Aufregung einfach nur gestrahlt.

Reiterlich haben wir darauf hin noch ein wenig Grundlagen gefestigt. Ein paar Mal habe ich mich nur auf die Schrittarbeit konzentriert. Zum Teil auch innerhalb der offenen Trainingseinheiten, die ich wöchentlich am Stall meiner Eltern anbiete. Die anderen Pferde in der Reitbahn kannte sie über den Zaun hinweg, also gab es keine große Aufregung.

Zweimal ist Sven geritten, auch weil ich mit Fortbildungen eingebunden war. Das klappte ganz gut, wobei sie ihm mit dem Galopp etwas Probleme machte, der war ihm fast etwas zu schwungvoll.

Einmal waren wir noch etwas länger für ungefähr 45min in Schritt und Trab im Gelände. Das war wirklich sehr schön, alles was ich vom Boden aus draußen erarbeitet habe, inklusive Entspannungssignal und pausieren war einfach in den Sattel zu übertragen. Dann hat uns das Wetter ein wenig gebremst, so wie das eben ist wenn man im schneereichen Unterallgäu keine Reithalle zur Verfügung hat.

In unserer letzten Reiteinheit musste ich sie ein wenig überzeugen, dass ich den Galopp besser sitzen kann als Sven, die kleineren Buckler waren aber auch nach 5min ausdiskutiert. Ich fühlte mich so richtig auf ihr angekommen! Dass sie ein junges Pferd ist, das spürt man als Reiter noch immer. Sie ist keinesfalls fertig ausgebildet, wir haben lediglich eine gemeinsame Basis geschaffen. Vermutlich wäre das ein wenig anders, wenn ich mehr und intensiver mit ihr gearbeitet hätte. Bei einem so jungen Pferd steht das für mich allerdings außer Frage und mehr bzw. längere Reiteinheiten wären nicht pferdegerecht.

Wir gehen unseren Weg, nicht den von jemand anderem. Auch wenn sich gefühlt Gott und die Welt dazu geäußert haben, dass bzw. wie wir reiten. Von „Wie kannst Du nur so früh anfangen!?“, bis „Na endlich machst Du Mal richtige Arbeit mit dem Pferd!“ habe ich so ziemlich alles zu hören bekommen. Ich habe nicht viel hingehört, sondern darauf vertraut, was ich über Pferdeausbildung und mein Pferd weiß.

Mir ist es sehr wichtig bei der Ausbildung so vorzugehen, dass sich mein junges Pferd zu jeder Zeit wohl fühlt. Zur Überforderung soll es erstmal nicht kommen! Hutze soll das Gefühl entwickeln, dass sie die Antwort auf jede meiner Fragen bereits kennt. Das Reiten ist nur eine Erweiterung der vielen gemeinsamen Unternehmungen. Keinesfalls schwere Arbeit, auch wenn es natürlich sehr feste Regeln gibt, die auch unserer gemeinsamen Sicherheit dienen.

Das ist mir in diesem halben Jahr miteinander denke ich ganz gut gelungen. Ich freue mich schon sehr darauf unsere Reiteinheiten im Laufe des nächsten Jahres auszudehnen. Ich hoffe wir können uns die Gelassenheit und Freude der letzten Monate bewahren. Damit wir auf unserem gemeinsamen Weg immer Zeit haben die Aussicht zu genießen!

Diverses

Vom Hackamore zum Two Rein Horse

Oder auch: Gute Pferdeausbildung braucht Zeit! Unsere Rosie haben wir 2019 mit viel Geduld 4 jährig angeritten. Schon damals habe ich berichtet, wie wichtig es in meinen Augen ist, den jungen Pferden die Zeit zu lassen, die sie brauchen, um in ihre Aufgaben als Reitpferd hineinzuwachsen. Aber letztendlich ist diese Geduld nicht nur in der Zeit des Anreitens aufzubringen, sondern sollte das Pferd auch durch die gesamte Remontenzeit über begleiten.

Eine Remonte ist ein junges Reitpferd, das erst am Anfang seiner Karriere steht. Der Begriff stammt noch aus der Kavallerie und wurde für junge Reitpferde in ihren ersten ein bis zwei Jahren unter dem Sattel verwendet. Eine Remonte ist noch kein vollwertiges Reitpferd. Genau so verstehe und verwende ich diesen Titel auch. Im Bezug auf Rosie: ihre Remonten Zeit hat sie als Hackamore Horse verbracht. Der Begriff ist das altkalifornische Pendant zu Remonte und bezieht sich auf die dort übliche Jungpferde Zäumung: die altkalifornische Hackamore, landläufig auch als Bosal bekannt. (Über diese Zäumung sprechen wir ausführlich in einer unserer Podcast Folgen!)

Sven mit Rosie im Frühjahr 2020 in der Hackamore

Diese Zeit haben wir aber mit einem bestimmten Ziel vor Augen verbracht: Rosie auf ihre Zeit als Two Rein und später Bridle Horse vorzubereiten. Ein Bridle Horse ist in der altkalifornischen Reitkunst das höchste Ausbildungsziel. Es trägt ein sogenanntes Bit, sprich eine altkalifornische Kandare. Anders als europäische Kandaren animiert das Bit ein Pferd zum selbstständigen Einnehmen einer gesunden, den Reiter reell tragenden Körperhaltung. (Auch hierzu gibt es eine Podcast Folge, die ich jedem empfehle, dessen Interesse ich hiermit geweckt habe.) Bevor das als „straight Up“ Bridle Horse möglich ist folgt eine Zeit als Two Rein Horse, in den das Pferd mit zwei Werkzeugen geritten wird. Dem Bridle und dem Bosalito, zwei Zügelig. Daher eben auch der Name: Two Rein Horse.

Aber was gab es da überhaupt vorzubereiten? Man möchte meinen die Two Rein Phase alleine wäre doch die eigentliche Vorbereitung für das Bit. In meinem Augen ist das weit gefehlt. Die erste „Umstellung“ war in Rosies Fall von Bosal auf Bosalito und ein ganz wichtiger Zwischenschritt, bevor es ans Bit ging.

März 2020: Im Hackamore zweihändig geritten

Im Frühjahr 2020 war sie gerade etwa ein Jahr unter dem Sattel und hatte eine kleine Winterpause hinter sich, in der der Fokus wieder mehr auf der Bodenarbeit als dem Reiten gelegen hatte. Alle Grundgangarten ließen sich schon gezielt abrufen und grundlegend kontrollieren. Dabei ihre Körperform zu beeinflussen, das heißt sie zu versammeln war besonders in Trab und Galopp noch schwierig. Auf Reitfotos von Sven und ihr aus dieser Zeit sieht man sie in einer guten Grundhaltung laufen. Ihr Genick ist schon meist höchster Punkt. Dennoch wirkt das Gesamtbild für den ein oder anderen Betrachter noch nicht allzu gefällig, denn ihr Genick ist dabei noch weit geöffnet (die Nasenlinie ist nicht an der Senkrechten sondern deutlich davor). Das ist mit einer altkalifornischen Hackamore meiner Meinung nach auch wenig möglich. In meinen Augen ist das Bosal dafür kein Werkzeug, es dient mehr der lateralen Einwirkung. Zudem konnte Sven den Raumgriff und die Geschwindigkeit der einzelnen Gangarten noch wenig beeinflussen. Ziel war es in der Zeit deshalb meist ein gleichmäßiges ruhiges Tempo einzunehmen.

Frühjahr 2021: Die Phasen, in denen sich Rosie auch in den höheren Gangarten trägt werden immer länger, sie fühlt sich immer rittiger an.

Ein Jahr später im Frühjahr 2021 sah die Welt schon etwas anders aus. Der Umstieg auf das Bosalito ermöglichte beiden jetzt vermehrt an Tragkraft und Versammlung zu arbeiten. Es gab immer mehr Momente, in denen Rosie es gelang das Genick weiter zu schließen (die Nase näher an die Senkrechte zu bringen) ohne dabei den Takt zu verlieren oder die Geschwindigkeit zu verändern. Der Weg dahin war aber nicht allein durch den Umstieg auf Bosalito geprägt, sondern besonders durch sehr viel gymnastizierende Arbeit unter dem Reiter aber auch am Boden. Eigentlich ist diese Handarbeit nicht traditionell kalifornisch. Hier haben wir uns mehr an klassischen und barocken Vorbildern orientiert. Aber auch mit modernen Erkenntnissen über Propriozeption gearbeitet. Ich kombiniere gerne Wissen, der Vorteil im Europa des 21. Jahrhunderts zu leben. Und ich bin überzeugt, hätten wir uns allein an kalifornischen Vorbildern orientiert, hätte das die Sache für Sven und Rose deutlich schwerer gemacht. Das Bosalito hat diese Arbeit am Boden nun im Sattel gut ergänzt.

Im Spätsommer 2021 war es nun soweit: Biegung, sämtliche Seitwärts Gänge im Schritt und beginnend auch in Trab, Vor- und Hinterhandwendung, Rückwärtsmanöver und die beginnende Versammlung in allen Gangarten waren einhändig zu Reiten. Auch Sven ist reiterlich enorm gewachsen. Und die beiden hatten trotz der ganzen Arbeit eine gute, abwechslungsreiche Zeit, wie ich behaupten würde. Der nächste Schritt bestand darin Rosie das Bit schmackhaft zu machen. Geholfen hat da etwas Honig und eine mehrwöchige Eingewöhnungsphase, in der das Bit „blind“, also ohne Zügel bzw. Einwirkung von diesen verschnallt wurde.

Erst als sie das Bit willig genommen und frei in Schritt und Trab im Round Pen getragen hat, begann das eigentliche Reiten damit. Aber eben noch immer weitestgehend „blind“! Stattdessen hat Sven sie wie gewohnt am Bosalito mit einem Fokus auf Bein- und Gewichtshilfen geritten. Die Zügel des Bits, die sogenannten Romal Reins hat er anfangs so locker in der Hand mitgeführt, dass kein Signal beim Pferd ankam. Die eigentlichen Zügel, mit denen stattdessen geritten wird sind die des Bosalitos. In der Hand des Reiters kommen somit zwei Zügelpaare an: Bosalito Zügel (Mecate) und Romal Reins. Und daher der Begriff „Two Rein Horse“ – „Zwei Zügel Pferd“, für ein Pferd in dieser aktuelle Ausbildungsphase.


Nach und nach gilt es nun in einem Zeitraum von mehreren Monaten bis Jahren die Zügelsignale immer mehr auf die Romal Reins zu verlegen. Und dann ist man tatsächlich am Ziel der Altkalifornischen Ausbildung, ein Bridle Horse ausgebildet zu haben. Ein Pferd, welches mit minimalsten Hilfen am Bit allein geritten werden kann, sich selbst trägt und motiviert und willig die Manöver der altkalifornischen Reitkunst ausführt.

Rosie wird dabei wesentlich mitentscheiden, wie lange der Weg ist, der da noch vor uns liegt. Aber unsere bisherige Reise mit ihr hat Sven und mich gelehrt, auf sie zu vertrauen und unterwegs die Aussicht zu genießen. Sie hat schon jetzt die Qualität eines großartigen Pferdes und uns mindestens genau so viel gelehrt, wie wir ihr.

Oben: März 2020, Rosie in der Hackamore,
Unten: Oktober 2021 Rosie in den Two Reins

Diverses

Vom Wunder des (An-)Reitens

Vor etwas über zwei Jahren ist mein Nachwuchspferd bei uns eingezogen. Ich habe von unserer Holly, der neugierigsten Paint Stute überhaupt, bereits mehrfach berichtet. Sie ist mein engster pferdischer Begleiter geworden und hat sich längst ihren eigenen Spitznamen verdient: Hutze. Mit ihr hat sich für mich ein Traum erfüllt, nachdem ich in den letzten Jahren so viel anderen Menschen mit ihren Jungpferden geholfen habe nun auch endlich selbst eines vom Absetzeralter an aufziehen und zum Reitpferd ausbilden zu dürfen.

Hutze und ich im Frühjahr 2019

Und mit dieser Ausgangslage brachen damals im Frühjahr 2019 ganz plötzlich alle Sorgen des Jungpferdebesitzer-Daseins über mich hinein. Was wenn ich einen Fehler mache? Was wenn ich viele Fehler mache? Was wenn dieses wunderschöne kleine Pferd und ich nicht zusammen passen, mein Bauchgefühl mich da einfach getäuscht hat? Aber ich durfte dafür auch alle Freuden des Jungpferdebesitzers erleben: Die erste Putzeinheit, der erste Spaziergang, das erste „Training“.

In all unseren gemeinsamen Abenteuern war aber immer ein großer Augenblick am Horizont, ein Moment, auf den wir mehr oder weniger bewusst all die Zeit zusammen hintrainiert haben: der erste gemeinsame Ritt! Ich hatte ganz konkrete Pläne dafür im Kopf, ich wollte nicht zum Reiten aufsteigen bevor sie 4 Jahre alt sein würde. Ich wollte sie ausführlichst am Boden darauf vorbereitet haben, mit allem was die Bodenarbeit so zu bieten hat. Balancetraining, Longe und Doppellonge, Handarbeit, Langzügel, sehr viel Sattelgewöhnung, Gelassenheitstraining, Handpferdereiten. Dann natürlich Gewöhnung an die altkalifornische Hackamore. Ich hatte einen sehr detaillierten Plan.

Zu großen Teilen funktionierte dieser Plan auch ganz hervorragend wie man sieht!

Im Frühjahr diesen Jahres allerdings habe ich gemerkt, dass man Pläne nicht ohne das Pferd schmieden kann. Hutze hat ihren eigenen Kopf und ihre eigenen Stärken. Longieren zählt da eher nicht dazu. Hier wird sie schnell unkonzentriert und beginnt zu rennen und buckeln, wenn ich den Punkt verpasse ihre Aufmerksamkeit zu mir zurück zu lenken. Wir haben viel ausprobiert und getestet woran das liegt, ein paar Wochen hat mich das total gefuchst. Schließlich wollte ich vor dem Anreiten im nächsten Jahr doch alles perfekt haben. Da sollte sie doch schon sicher in allen Gangarten an Longe und Doppellonge laufen.

Die schwierigen Momente mit unserem Longier Problem habe ich nicht in Bild und Ton festgehalten,
aber glaubt mir, Hutze kann froh sein, dass sie so süß ist, denn sie hat mich ganz schön an mir zweifeln lassen.

In der Zwischenzeit lief es aber in allen anderen Bereichen unserer gemeinsamen Arbeit richtig gut. Wir haben mit einiger Vorbereitung in Form von Köprerbändern und Longiergurt irgendwann mit der Gewöhnung an ein weiches Reitpad begonnen. Auch mit dem Bosal, das im Mai einzog hatte Hutze absolut kein Problem. Handarbeit, Spazieren gehen, Handpferdereiten, alles keine große Sache für sie. Aufstiegshilfe und mein Bein über den Rücken legen? Ach das ist doch Kinderkram! Ich durfte sogar auf der einen Seite auf und auf der anderes Seite gleich wieder absteigen, sie stand wie eine Eins, während mein Mann von unten auf uns aufgepasst hat. Und dann hat sie mich total überrascht und mir den Galopp an der Hand angeboten, sortiert und langsam, obwohl ihr genau der ja in der Longierposition immer etwas schwer fällt.

Irgendwie sagte mein Bauchgefühl schließlich: wir sind bereit einen Sattel in die Gleichung dazuzunehmen. Mit dem Sattler meines Vertrauens und dank Equiscan Vermessung habe ich ihr dann also einen Maßsattel organisiert (ein gebrauchter Leihsattel aus dem Jungpferdeprogramm aber extra auf ihren Rücken angepasst!), den ich pünktlich zum Beginn meines Urlaubs Ende Juni abholen durfte. Das eigene Jungpferd das erste Mal in voller Reitmontur sehen, das war ein ganz seltsames Gefühl. In meinem Kopf ist sie immer noch die kleine Jährlingsstute, die alle so hässlich fanden, außer mir und meinem Mann Sven.

Der hatte im Übrigen schon seit Wochen gesagt, ich solle doch endlich Mal richtig aufsteigen und eine Runde drehen. Bei jedem anderen Pferd hätte ich das längst getan. Und da hatte er gar nicht so unrecht. Ich steige meist auf, wenn ich einem Pferd ausreichend vertraue. Vertrauen verdient sich das Pferd nicht darin perfekt alle Übungen abspulen zu können, sondern indem es sich als wahrer Partner beweist. Natürlich müssen gewisse Dinge sitzen, ich brauche eine Notbremse, das Pferd darf keine Ressentiments gegen mich oder die Reitausrüstung verspüren. Aber das Vertrauen, das ist für mich der entscheidende Punkt!

Die ersten Einheiten mit Sattel hat Hutze dann in meinem Urlaub wie eine große absolviert. Zwischen Sattel und Reitpad hat sie keinen Unterschied gemacht, alles war quasi wie immer, bzw. wie wir es eben in den Wochen und Monaten zuvor geübt hatten. Bei der dritten Einheit meinte mein Mann ich solle doch einfach Mal den Reithelm mit zum Reitplatz nehmen. Dagegen musste ich mich erstmal ziemlich sträuben, schließlich ist Hutze erst 3 Jahre alt und mein Plan sieht ganz anders aus! Im Laufe der Einheit stellte sich dann aber so ein Gefühl ein. Alles war so entspannt und passend: es war noch am frühen Vormittag, Hutze kam zufrieden und gemütlich von der Koppel. Der Tag war bewölkt und ohne Stechviecher, am Stall war es ganz ruhig. Sven, mein liebster Co-Pilot wenn es ums Anreiten geht war auch da und grinste schon über das ganze Gesicht.

Und dann hab ich mir und meinen ganzen Plänen einen großen Ruck gegeben und bin mit etwas wackeligen Beinen meinen Reithelm holen gegangen. Sven und Hutze warteten dann schon am Aufstiegsblock auf mich. Und irgendwie war ich plöztlich oben. Ganz unspektakulär, kein großes Ausbalancieren, kein Schritt zur Seite, als mein Gewicht in den Sattel kam. Dann gings auch schon ganz vorsichtig und langsam los im Schritt. Sven war unten für alles zuständig, mein Job bestand nur darin gut zu sitzen und viel mit zu loben. Große Ehrfurcht habe ich empfunden, dafür auf diesem Ehrenplatz thronen zu dürfen. Irgendwann unterwegs kamen mir sogar ein paar Tränchen. Das war der große Moment auf den ich gewartet habe! Und es fühlte sich so grandios an! Obwohl ich schon mit anderen Pferden den ersten Ritt erlebt habe, das hier war unserer!

Nach zwei Runden im Schritt war Feierabend, ich habe Hutze mit Leckerlie und Krauleinheiten überschüttet. Und erst dann ging mein innerer Experte wieder an. Ein bisschen habe ich mich geschämt dafür, mich nicht an meinen Plan gehalten zu haben. Als Pferdeverhaltenstherapeutin kenne ich mich mit der Entwicklung von Pferden aus und weiß, dass sie nicht vor 7 jährig ausgewachsen sind und das Anreiten nicht zu früh erfolgen sollte. Entscheidend ist die Knochenentwicklung, bzw. das Schließen der Wachstumsfugen, welches meist 4-5 jährig erfolgt. Zu frühe Belastung schädigt das Pferd!

Ich glaube aber, dass ich die Belastung in diesem Fall minimal gehalten habe. Hutze hat zu keinem Zeitpunkt ein Unwohlsein geäußert und war mental wie körperlich sehr gut für diesen Moment vorbereitet. Und von Reiten sind wir noch immer weit entfernt. Ein zweites Mal in meinem Urlaub kam es schließlich noch zu einer Runde, in der Sven uns sogar für ein Foto kurz vom Seil gelassen hat. Auch hier war der „Spuk“ nach einer Runde im Schritt vorbei. Geplant ist in einem sehr gemütlichen Tempo diese sanfte Reitergewicht Gewöhnung fortzuführen, nur dann aufzusteigen wenn alles passt und Hutze grünes Licht dafür gibt. So fühlt sich das ganze Thema Reiten für Hutze und mich im Moment sehr Schwellenlos an. Und ich kann mir gut vorstellen, reiterlich so richtig erst im nächsten Jahr loszulegen.

Vielleicht werde ich an anderer Stelle noch über ein paar methodische Details sprechen, die uns drei ermöglicht haben diesen einen wundervollen Augenblick so entspannt zu genießen. Aber im Moment gehe ich da konform mit Albert Einstein: „Es gibt nur zwei Arten zu leben: Entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so als wäre alles ein Wunder.“ Dieses kleine Wunder, das mir Hutze geschenkt hat, will ich nicht erklären, sondern teilen.

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Pferdeverhaltenstherapie – Was macht eigentlich ein Pferdeverhaltenstherapeut

„Johanna, Du kennst Dich doch nicht nur mit Reiten aus, ich hab da so ein Problem…“ Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört? Meine Selbstständigkeit begann mit Reitunterricht, aber ich habe schon bald gemerkt, dass es mit gutem Reiten alleine noch lange nicht getan ist. Im September 2020 habe ich deshalb erfolgreich meine Prüfung zur Pferdeverhaltenstherapeutin am Institut für Tierheilkunde, dem ift, abgelegt.

Oh wenn es doch immer so schön wäre, wie auf diesem Schnappschuss. Pferdebesitzer sein ist häufig so viel mehr als Reiter zu sein. Kein Wunder, dass da auch Mal Fragen außerhalb des konventionellen Unterrichts entstehen.

Und einige Leser werden sich jetzt vielleicht fragen: „Pferdeverhaltenstherapie? Noch nie gehört, was ist das denn?“. Und das zu Recht! Das Berufsbild des Pferdeverhaltenstherapeuten ist immer noch viel zu unbekannt. Dabei bräuchten im Grunde viele Pferdemenschen vielleicht gar keinen Trainer oder Reitlehrer, sondern eher einen Verhaltenstherapeuten, um den Alltag und die Probleme mit ihren Pferden in den Griff zu bekommen.

Ein Trainings- und Therapieplan gibt einfache Anweisungen und Handgriffe wie diesen mit an die Hand, die der Pferdehalter selbstständig umsetzen kann und so das Wohlbefinden seines Pferdes, sowie die Kommunikation mit ihm verbessert.

Ein Pferdeverhaltenstherapeut betrachtet ein Pferde-Mensch-Team immer ganzheitlich und erstellt, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über Ethologie, Lernpsychologie und Pferdehaltung, Therapie- und Trainingspläne. Er vermittelt somit zwischen Pferd und Pferdebesitzer, wenn Probleme im Umgang, Haltung oder Ausbildung bestehen und begleitet beide langfristig, sowie umfassend.

Vom Jungpferd bis zum Senior: Training kann so vielfältig sein! Ein Verhaltenstherapeut kennt sich mit unterschiedlichen Philosophien und Disziplinen aus.

Ob Beratung beim Pferdekauf, samt Exterieur- und Wesensbeurteilung, (Jung-)Pferdeausbildung, oder Beratung hinsichtlich Stallbau bzw. Stallwahl. Er vermittelt zudem auch zwischen Halter und anderen Experten wie Hufschmied, Tierarzt und Pyhsiotherapeuten. Das Aufgabenfeld eines Verhaltenstherapeuten ist sehr breit gefächert. Die Verhaltensdiagnose (meist bei Verhaltensauffälligen Pferden), zählt mit einer aufwendigen Ursachenforschung und Diagnostik genau so dazu, wie Bodenarbeit, Verlade- und Gelassenheitstraining oder Reitunterricht.

Wie kommt man an sein Herzenspferd? Kaufberatung soll genau dabei helfen! Wie gut, dass der Verhaltenstherapeut so umfassend arbeitet.

Nicht nur das Pferd, auch der Mensch kann je nach vorliegendem Problem im Fokus stehen. Menschen mit Angst vor Pferden bzw. Angst vor dem Reiten sind bei einem Verhaltenstherapeuten gut aufgehoben. Beziehungs- und Vertrauensaufbau mit dem Pferd zählen zu den Stärken meines Berufsstandes.

Wieder Spaß am und mit dem eigenen Pferd haben, gelassen Reiten können. Diesen Traum träumen Viele! Der Pferdeverhaltenstherapeut hilft ihn wieder erreichbar zu machen.

Ich stamme aus einer „pferdenarrischen“ Familie und bin mit Pferden aufgewachsen. Und trotzdem habe im Laufe des Studiums so viele Aha-Momente gehabt, dass ich sie schon gar nicht mehr zählen kann. Fragen, die ich mir seit meiner Kindheit zum Thema Pferdeverhalten und -umgang stelle, wurden endlich beantwortet. Umso glücklicher macht es mich, dass ich diese Erkenntnisse auch an die Menschen und Pferde weitergeben kann, die ich in meiner mobilen Praxis begleite. Gelegentlich gibt es auch einen stationären Platz im Pensionsstall meiner Eltern zu vergeben. Fragt mich diesbezüglich einfach, falls Bedarf besteht!

Und überhaupt: Ihr habt eine Pferdefrage? Fragt! Fragt mich! Keine Frage ist zu dumm, kein Problem zu verfahren. Pferdebesitzer sein ist keine Sprint- sondern eine Marathonleistung. Man lernt als Pferdemensch ständig dazu und muss langfristig planen und denken. Und dabei unterstütze ich euch nach Herzen gerne.

Ich liebe es Licht ins Dunkel zu bringen! Deshalb bin ich Pferdeverhaltenstherapeutin geworden. Ich freue mich auch Dir zu helfen.
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Abenteuer Gelände – mit jungen Pferden die Welt erkunden

Wir spulen einmal kurz zurück ins Jahr 2014, als mein Mann und ich unsere Semesterferien Zuhause im Allgäu verbrachten und nach einem Semester Beton und Großstadt das große Bedürfnis verspürten Natur zu tanken. Irgendwie hatte ich es schon in den Jahren zuvor geschafft Sven aufs Pferd zu bringen, aber diesen Sommer stand eine Premiere an: Ausritte! Auf unserer ersten Galoppstrecke zischte er mit meiner Haflingerstute laut Jauchzend an mir und dem Paint vorbei, den ich mir ausgeliehen hatte. Und von da an hatte er Blut geleckt, jahrelang hörte ich mir an, dass doch das Ausreiten das große Erstrebenswerte sei und er eines Tages auch ein Pferd haben wollen würde.

Und nun sechs Jahre später war es endlich soweit: er konnte endlich auf seinem eigenen Pferd ausreiten, das wir zusammen ausgebildet haben. Dabei sah die Sache Anfang des Jahres noch ganz anders aus. Rose geht nicht gerne alleine ins Gelände, die beiden haben auch durch Übung keine Routine bekommen können. Auch wenn wir letztes Jahr schon ein wenig draußen waren, von richtigen Abenteuertouren aber noch weit entfernt.

Ich selbst war nicht so scharf darauf ihn und Rose zu begleiten, im Nachhinein muss ich sagen, das war nicht besonders fair von mir. Mit Holly hatte ich zu viel Anderes zu tun, wir mussten erst Zuhause in paar Dinge zusammen lernen. Meine Haflingerstute ging die großen Runden altersbedingt nicht mehr. Mit Lou haben wir es versucht, aber da hat die Chemie zwischen beiden Pferden nicht so gestimmt. Und mit den Stallkollegen ging irgendwie auch nichts zusammen. Sven hatte das Thema Ausreiten eigentlich schon an den Nagel gehängt.

Doch Corona hat nicht nur ganz Deutschland durcheinander gebracht, sondern auch unsere Trainingspläne. Durch die viele Zeit, die wir im Frühjahr hatten, haben wir viele Punkte unserer Pferde Bucket List für 2020 schon abhaken können. Insbesondere Hollys Bodenarbeitstraining, sodass wir im Juni nur noch Gelände auf dem Schirm hatten. Holly geht sehr gerne die Welt erkunden, obwohl sie erst zwei Jahre alt ist, kann sich da so manches Pferd von ihrer Gelassenheit eine Scheibe abschneiden. Darauf musste ich nur erstmal kommen, denn unsere ersten Ausflüge außerhalb des Hofes waren zum Teil etwas chaotisch. Zumindest wenn wir von anderen Pferden begleitet wurden. Alleine war es viel besser!

Und trotzdem haben wir uns dann im Juni ganz spontan auf den Weg gemacht. Immer mit der Möglichkeit umzudrehen im Hinterkopf. Aus der Überlegung, dass Holly ja alleine so cool ist, haben wir sie voraus gehen lassen. Und schon nach ein paar Minuten kam Sven nicht mehr aus dem Schwärmen. Rose war ganz verändert und lief entspannt. Holly marschierte voraus, mit gespitzten Ohren und großer Neugier. Ich habe immer ein wenig Schwierigkeiten mit ihrem flotten aber entspannten Wohlfühltempo mitzuhalten.

Eine unseren ersten Touren zu zweit. Weil Rose so cool war konnte Sven nicht anders, als für 10 Minuten ohne Sattel und nur am Stallhalfter aufzusteigen. Beide Damen waren unglaublich brav.

Seitdem haben wir viele Touren unternommen. Sven reitet inzwischen an der kalifornischen Hackamore und mit seinem Reitpad. Das Pad ist eigentlich nichts für mehrstündige Touren, aber das macht nichts, Sven reitet meist nicht den ganzen Ausflug über sondern steigt immer wieder ab bzw. auf. Der Sattel zieht erst im Herbst ein. Aber es ist wieder ein Fall von aus der Not eine Tugend machen: Rose hat gelernt zum Aufsteigen ruhig zu stehen, auch im Gelände. Und Svens Reitersitz hat sich enorm verbessert. Er fühlt sich damit so wohl, dass auch schon einige Trabstrecken und ein paar Sprünge im Galopp möglich waren.

Holly und ich haben sehr viel Führtraining bekommen, das sich vor allem Zuhause sehr auszahlt. Zuhause drängelt sie viel weniger als noch im Frühjahr. Im Gelände drängelt sie manchmal noch ein wenig voraus, aber wir nehmen es sportlich. Ich habe nämlich im März angefangen an einem Trick zu arbeiten, von dem ich damals noch nicht wusste, dass er mir jetzt helfen würde: Rückwärts von hinten. Überholt sie mich jetzt im Gelände deutlich, halten wir an, ich gebe mein Handzeichen fürs Rückwärts gehen und sie parkt sich wieder neben mich. Außerdem spielen wir immer wieder mit der Führposition, probieren auch Mal Führen aus Distanz aus, quasi Führen aus der Longierposition. Geht auch! Und ist praktisch auf Wegen, die zum Beispiel einen dicken Wiesenstreifen in der Mitte haben.

Wichtig ist es beiden Pferden ihr Wohlfühltempo zu lassen bzw. immer wieder spielerisch daran zu arbeiten. Zum Beispiel indem Mal eins von beiden Pferde-Mensch Teams weiter weg ist. Oder eines trabt ein Stück, während die anderen weiter Schritt gehen. Auch Dinge wie kurz anhalten und von den Anderen wegtraben oder wieder zurücktraben haben wir geübt. Bei der Gelegenheit ist Sven und Rose auch der erste kleine Galopp „rausgerutscht“.

Mit einigen Stallkollegen waren wir auch schon unterwegs. Holly möchte trotzdem möglichst weit vorne, Rose möglichst weit hinten laufen. Es sind ihre bevorzugten Positionen in der Gruppe. Holly gibt die Führung nur dann ab, wenn ein Weg wirklich Mal etwas unübersichtlich wird. Rose sichert nach hinten, man sieht sie häufig ihre Ohren bzw. ihre Aufmerksamkeit nach hinten richten. Andererseits hat sie dadurch immer alle anderen Pferde im Blick und wenn die ruhig sind, kann sie auch ruhig bleiben. Stimmungsübertragung lautet das Stichwort!

Gefahrenquellen gab es natürlich trotzdem entlang unserer Wege. Holly hat ein Haushoher Stapel Baumstämme ganz aus dem Häuschen gebracht. Aber ich gehe damit einfach sehr bewusst um. Ich selbst laufe zwischen Gefahr und Pferd, gehe voraus und berühre die vermeintliche Gefahr, sage „Touch“. Wenn sich Holly damit beschäftigt und nicht versucht die Situation zu vermeiden lobe ich sie per Stimme und sie bekommt ein Leckerli. So haben wir das daheim schon immer gemacht.

Wenn Sven mir signalisiert, das Rose mit etwas Probleme hat, gehen Holly und ich auch hin und schauen uns das nach diesem Prinzip an. Oder wir gehen zumindest sehr viel langsamer an der Stelle vorbei. Rose schaut sich Hollys Verhalten gegenüber der potentiellen Gefahrenquelle ab. Typischer Gruselort für Rose, den wir damit gemeistert haben, ist eine Brücke, über die wir bei fast jeder Route gehen müssen, unter der ein kleiner Bach rauscht. Zuletzt konnten Sven und Rose sogar schon darüber reiten.

Mal geht Holly voraus…

Mal einer der mutigen Pony Onkels.

Am Verkehr entlang ging es auch schon. PKWs und LKWs sind keine große Sache, nur mit einem Traktor hatten wir erst eine nicht so schöne Begegnung, bei der der Traktorfahrer sehr knapp hinter uns bremste und dann so schnell wie möglich überholte. Uns ist bis aufs erschrecken aber nichts passiert. Leider ist es schwierig in unserer Umgebung, die Straßen ganz zu meiden, deshalb fühlt es sich gut an zu wissen, dass wir zur Not immer sicher an der Straße entlang gehen können.

Es wäre gelogen zu sagen, dass wir nie blöde Situationen haben. Ich denke darum geht es auch nicht im Geländetraining mit jungen Pferden. Besonders Holly hüpft ab und an noch Mal. Weil sie gestolpert ist, oder irgendwo ein Raubvogel aufgeflogen ist oder sie einen Schmetterling erlegt (true story, sowas hab ich noch nicht erlebt, aber dieses kleine Pferdchen hat den Schmetterling erlegt, als wäre es eine Raubkatze).

Es geht viel mehr darum gemeinsam Spaß zu haben und ich muss gute Laune und Sicherheit vermitteln. Bewusst ist mir das erst mit unseren anderen Begleitern geworden. Eine Stallfreundin sagte mir nämlich sie würde mich sehr dafür bewundern, wie cool ich Holly draußen zur Seite stehe. Vor Allem bei ihren kleinen Hüpfern, so ein buckelndes, zappliges Pferd an der Hand zu haben kann auch Mal unangenehm sein. Aber dieses Verhalten gilt nicht mir, sondern wird von Umweltfaktoren ausgelöst. Und die kann ich nunmal nicht kontrollieren, sondern nur lernen damit umzugehen. Bis jetzt habe ich den Eindruck, dass Holly dadurch lernt, auch nach kurzen Aufregern schnell wieder in die Ruhe zu finden.

Pausen müssen auch Mal sein. Picknicks sind in Planung!
Rose und Sven teilen sich ihr Wasser brüderlich aus der Feldflasche.

Wenn es mir doch Mal zu viel wird, helfen Sven, Rose und unsere lieben Stallfreunde immer die Laune positiv zu halten. Und ich selbst lerne dadurch auch mich schnell wieder zu beruhigen, wenn mich Mal etwas wirklich stresst. Wie kann ich meinem Pferd denn auch sonst die charakterlichen Qualitäten vermitteln, die mir wichtig sind, wenn ich sie selbst nicht besitze? Und dafür sind Abenteuer da, um sich selbst besser kennen zu lernen. Und um mit Kafka zu schließen: Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.


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Fohlenschule

Im Frühjahr letzten Jahres kam ein neues Mitglied in unsere Familie: die im Mai 2018 geborene Absetzerstute Holly. Frisch vom Züchter, gut sozialisiert und an das Halfter gewöhnt. Ansonsten eine leere Leinwand was Training und Erfahrung anbelangt und obendrein mein erster Absetzer.

Zum Thema Jungpferde habe ich ja bereits an verschiedenen Stellen meine Meinung kund getan, ich denke man sollte Pferden Zeit lassen, ihre Aufgabe zu finden. Genau so wichtig finde ich jedoch auch, dass ein Pferd eine Aufgabe hat und seinen Platz in der Welt kennt, auch ein erst 11 Monate altes Fohlen.

Natürlich fing meine Reise mit Holly deshalb ganz vorsichtig und zurückhaltend an. Die ersten Tage und Wochen habe ich mir viel Zeit genommen, um bei ihr in der Box oder mit ihr auf der Koppel zu sitzen und sie zu beobachten. Noch wenig Streicheln, nur ein gelegentliches Rufen oder miteinander umherlaufen. Wir haben unsere Freundschaft langsam geknüpft.

Hollys Lieblings-Kraulstelle: das Hinterteil.

Natürlich darf man diese Art der Fohlenschule noch nicht mit einer Grundausbildung verwechseln, die in Hollys Fall noch nicht begonnen hat. Vielmehr geht es mir darum einen Einblick zu geben in all die vielen kleinen Momente, die aus einem unerfahrenen, frechen Fohlen ein freundliches und mutiges Jungpferd werden lassen.

Die erste große Herausforderung war der tägliche Koppelgang, der je nach Tagesform entweder wie ein erwachsenes Pferd gemeistert oder mit ungeduldigem Gebuckel quittiert wurde. Ich habe gelernt Buckeln und Steigen mit Humor zu nehmen, nicht ganz einfach, da wir uns beide noch nicht so gut einschätzen konnten, aber nach ein paar Monaten fanden wir uns ein.

In der Pflege war und ist sie unkompliziert. Putzen und Hufe geben war ab Tag 1 überhaupt keine große Sache. Weder in der Box, noch auf der Stallgasse. Anfangs habe ich viel getestet, welche Lieblingsstellen und Bürsten sie am Körper hat und durch etwas rumprobieren kam ich zu dem Schluss nur weiche Striegel und Bürsten zu verwenden, alles andere konnte zu einem beleidigten Nüsternkräuseln oder gar Zwicken führen.

Noch nicht richtig angebunden aber schon wie eine Große: Putzeinheit auf der Stallgasse.

Lediglich die Konzentration sollte ein großes Thema werden: wie viele Fohlen und Jährlinge konnte sie sich nur knappe fünf Minuten gedanklich bei der Sache zu bleiben. Für unsere ersten Spaziergänge hieß das dann nach dem Putzen erstmal 15-20min Pause einzulegen um dann fünf Minuten über den Hof zu laufen. Weiter als bis zum Stall hinaus und in den Hof kamen wir auch erstmal kaum. Viel zu spannend war alles! Besonders skeptisch war sie gegenüber den Hühnern meiner Mutter, von denen sie sich im Vorbeigehen nie abwenden konnte. Nach 5 Minuten ging dann oft gar nichts mehr und zurück auf der Koppel müsste sich ausgiebig gewälzt werden.

Irgendwann im späten Frühling machten wir auch unsere ersten Gehversuche im Roundpen und auf dem Reitplatz. Freiarbeit mit ihr war eine große Freude und ihre Konzentration war dabei ein kleines bisschen besser. In meinem Trainingstagebuch halte ich bis jetzt alle Einheiten mit ihr fest, wie ich mich fühle und was wir gemacht haben. Ab Mitte Mai 2019 schafften wir auch Mal 10 oder 15 Minuten „Arbeit“. Und die ersten Mini Spaziergänge außerhalb des Hofgeländes wurden unternommen.

Einer unserer Hofspaziergänge.

Manieren waren mir von Anfang an sehr wichtig, etwa ein höfliches Abwarten, wenn es um ihren Futtereimer geht oder geduldiges Stehenbleiben, wenn ich hinter ihr das Koppeltor schließen möchte. Kein Treten und Beißen, was ihr vor allem im Übermut aber noch manchmal schwer fällt.

Leider brachte Holly Haarlinge und einen Hautpilz mit in die Fellwechselzeit. Retrospektiv betrachtet war es aber die perfekte Gelegenheit, um Toleranz gegenüber Wasser, Sprühflaschen und allgemeines Verarzten zu üben. Mein Mann und ich wuschen sie alle 2 Tage komplett mit lauwarmer Lauge aus einem Tierärztlichen Mittel. Mit großer Selbstverständlichkeit und Ruhe ging ich ans Werk und wir lobten sie immer dann, wenn es ihr für einen kurzen Moment gelang ruhig zu stehen und nahmen Schwamm und Lauge wieder weg. Die Empörung über Wasser und Schwamm, die sie als erstes zeigte war nach 3 Waschgängen so stark abgeflaut, dass ich ihr Schwammbad nun alleine vornehmen konnte. Beim Einsprühen mit Lebermoosextrakt ging ich ähnlich vor, sodass seit Sommer das Einsprühen mit Fliegen- oder Mähnenspray auch ohne festhalten möglich ist.

Sven hilft Holly beim ausschlafen der Sedierung. Könnte man Pferde doch nur in Watte packen!

Die Übungen die das Verarzten anbelangen konnten wir im Sommer gut brauchen, denn Holly brachte ständig irgendeine Schramme mit von der Koppel. Ach das waren die Freuden eines jeden Jungpferdebesitzers! Am linken Karpalgelenk war eine von ihren Schrammen im August so großflächig, dass wir ihr einen Verband anlegen mussten, nachdem sie dauernd daran rumschleckte. No Bite Spray und Bandagen waren teils erfolglos im Einsatz. Kurz danach hatte sie einen Einschuss auf dem anderen Vorderbein. Zwei Wochen später sprang sie durch einen Zaun und zog sich unter der Achsel eine Wunde zu, die getackert werden musste. Zwei Wochen Boxenruhe folgten, zwei Mal Sedierung, weil sie sich immer wieder die Tackernadeln aus der Wunde zog und den Tierarzt nicht an sich ranließ. Die letzten drei Nadeln entfernten schließlich mein Mann und ich mit einem Seitenschneider und dem Licht einer Taschenlampe während sie seelenruhig Heu fraß. Wir wollten ihr eine weitere Sedierung ersparen.

In dieser Zeit beschränkte sich unser Zusammensein wieder viel auf Putzen und beobachten. Manchmal ein kleiner Hofspaziergang und ganz beiläufig ein paar Grundlektionen im Showmanship, wie eine Viertel Hinterhandwendung, Rückwärts und geschlossen stehen. Im Oktober fingen wir wieder langsam an mehr zu unternehmen. In der Zeit drängelte sie beim Führen viel und hatte so viel Selbstvertrauen und Neugier entwickelt, dass sie alles und zwar wirklich alles ins Maul nehmen, oder mit den Hufen erkunden musste.

Die Drängelei kann darauf zurück geführt werden, dass sie zu dem Zeitpunkt (und in gewissem Maße bis heute) stark überbaut war. Vorderhand und Hinterhand passten anatomisch nicht zusammen. Dann die unstillbare Neugier! Ich hätte nie gedacht dass ein Pferd zu neugierig sein kann. Holly ist tief beleidigt, wenn sie etwas nicht lang genug betrachten darf. Also haben wir seitdem sehr viel Führtraining gemacht, ein paar Dinge zum Desensibilisieren, Planen, Flaggen usw. Spaßeshalber einmal einen Longiergurt aufgelegt und gegurtet, ich war so stolz auf sie.

Unsere Spaziergänge wurden immer länger und inzwischen waren wir schon fast eine Stunde im Gelände, dort macht sie sich im Grunde am besten. Sie sieht viel und kann so ihre riesige Neugier stillen. Angst ist draußen nur sehr selten ein Thema.

Die ersten Gehversuche in der Bodenarbeit haben wir gemeinsam auch schon unternommen, alles aber nur spielerisch, wenn wir eben einen guten Tag haben. Dabei fiel mir auf, dass sie sich mit den Hinterbeinen oft an den Vorderbeinen verletzt und besorgte ihr ein paar Fesselkopfgamaschen. Die Kamera war schon gezückt, als sie sie das erste Mal trug in der Hoffnung ihren von uns erwarteten Storchengang zu filmen, aber der blieb aus. Sie nahm es wie ein Große. Zudem bekam sie ihr erstes Knotenhalfter im November, auch das ohne mit der Wimper zu zucken.

Wichtigste Übungen sind seitdem alle, die mit Nachgiebigkeit zu tun haben, denn ihre übermäßige Neugier macht sie oft stumpf gegenüber Signalen. Und damit werden wir uns mit Sicherheit noch weit bis in den Sommer hinein beschäftigen.

Ganz allmählich sieht sie immer weniger nach „Baby“ aus, sondern immer größer und schlacksiger und an manchen Tagen schon ein bisschen nach Pferd, statt Kreuzung aus Dromedar und Esel. Unser erstes gemeinsames Jahr haben wir mit vielen Tiefen und Höhen verbracht. Ich habe das Gefühl, sie gut auf alles vorbereitet zu haben, was in ein bis zwei Jahren an Grundausbildung auf sie zukommt. Unser schönster gemeinsamer Tag war übrigens Anfang Dezember, als ich mit ihr einen kleinen Spaziergang unternahm, der erste ganz allein ohne Begleitung. Da hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, einen richtigen Freund neben mir zu haben. Ich bin gespannt was unsere Zukunft bringt.

Diverses

Der Zeitfaktor im Pferdetraining: Jungpferdeausbildung

Wenn die Zeit drängt

„Wird Zeit, dass der unter den Sattel kommt. Der ist jetzt schon drei, ich will ja auch mal was von dem Pferd haben.“  – „Der ist jetzt schon vier und bringt seinen dritten Fohlenjahrgang.“ – „Was, das Pferd ist schon fünf und wird jetzt erst angeritten? Na Prost Mahlzeit…“

Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte ich solchen Aussagen vielleicht zugestimmt. Unser erstes Familienpferd wurde Ende der 90er dreijährig relativ problemlos angeritten. Warum? Man macht das eben so. Ich selbst war damals noch viel zu jung, um viel über die damalige Ausbildung berichten zu können. Inzwischen durfte ich viel mehr Erfahrung mit Jungpferden sammeln (und wichtig: ich lerne noch immer!) und habe eine deutlich andere Einstellung gegenüber diesem Thema entwickelt.

Zum Einen stoße ich mich sehr an solchen Aussagen, sie sind für mich ein Begleitsymptom unserer schnelllebigen, auf Leistung ausgelegten Gesellschaft. Sie zeigen eine bestimmte Mentalität, die in unserer Pferdewelt in den letzten Jahrzehnten recht präsent war, die seit den letzten Jahren bereits allmählich eine positive Veränderung erfährt, aber leider noch immer in den Köpfen vieler Pferdebesitzer, Züchter und Reiter vorhanden ist. Das Pferd als reines Nutztier zu sehen, das Entweder eine Rolle als Zuchttier oder Reit- bzw. Fahrpferd zu erfüllen hat und es, falls es diese Rolle nicht erfüllen kann, übereilt und kopflos weggestellt oder verkauft wird.

Die Vorstellung, ein Pferd allein für das Reiten anzuschaffen ist mir grundlegend fremd. Das Reiten sollte in meinen Augen nur die Krönung einer besonderen Beziehung zwischen Mensch und Tier sein. Fragen wie „Welche Pläne hast Du für dieses Pferd? Was soll das Mal machen?“, beantworte ich inzwischen mit „Das darf das Pferd selbst entscheiden.“

Meine Gründe dafür sind relativ vielfältig. Ich bin mit dem Wissen groß geworden, dass das Anreiten eines Pferdes mit zwei Jahren noch zu früh ist, dass solche Pferde schnell und stark verschleißen, wie es Galopprennpferde meist recht eindeutig zeigen. Dass mit einer ordentlichen Ausbildung „erst“ im Alter von drei Jahren begonnen werden sollte. Aber wieso drei? Aus Pferdepsychologischen Gründen? Aus körperlichen mit Sicherheit nicht, vollkommen ausgewachsen sind Pferde erst deutlich später. Rasseabhängig zwischen sechs und sieben. Und Wachstum bringt bekanntermaßen Balance-Probleme, Unausgeglichenheit und mitunter auch Schmerzen mit sich. Zahnwechsel bis ins fünfte Lebensjahr hinein, Taktunreinheiten,  eine kurze Konzentrationsspanne… die Liste der jungpferdetypischen Probleme ist recht lang. Pferdemenschen wie Babette Teschen (https://www.wege-zum-pferd.de/2010/10/26/was-das-wachstum-mit-sich-bringt/), äußern diese Art von Bedenken schon seit Langem!

Die Idee, das Pferd darüber entscheiden zu lassen, was bzw. wann es etwas macht klingt in der Theorie wunderbar. Oft habe ich erlebt, dass Pferdebesitzer bzw. Reiter sich mit dieser Idee gut anfreunden können, eine Zeit lang. Bis sich das Pferd „daneben“ benimmt, schwer zu handeln ist (die Gründe dafür seien an dieser Stelle einfach Mal dahingestellt), dann soll es mit dem Anreiten plötzlich sehr schnell gehen (damit es gefälligst Respekt lernt). Zeit Lassen bedeutet jedoch in meinen Augen nicht, das Pferd möglichst lange auf der Weide stehen zu lassen, bis auf Führen und Hufpflege kaum Interaktion mit dem Menschen zu bieten, bis das Pferd eine scheinbar magische Grenze von drei oder vier Jahren überschritten hat und dann in wenigen Wochen Profiberitt unter den Reiter zu bringen.

Ein Jungpferd braucht Grundlagen, es braucht einen festen Rahmen. Es braucht Artgenossen, nicht nur Gleichaltrige, an denen es sich orientieren kann. Die erfolgreiche Erziehung eines jungen Pferdes, ist mit der Erziehung eines Menschenkinds durchaus in einigen Punkten zu vergleichen. Genauso wie ein Kind braucht auch ein Pferd Ansprache, Verständnis, Geduld und es gilt ihm Freude am Lernen zu vermitteln.

Ich habe mich deshalb auch gefragt, woher diese Eile in der Ausbildung kommt? Mit Sicherheit ursprünglich aus dem Bereich der Pferdezucht und des Profisports. Bestimmte Turnierklassen haben Altersbeschränkungen, um eine vergleichbare Wettbewerbssituation zu schaffen. Das heißt nicht automatisch, dass Jungpferde, die für diesen Bereich des Sports ausgebildet werden, schlecht oder zu früh trainiert werden. Im Gegenteil, Pferde, die in Profiberitt gehen, werden oft mit großer Sorgfalt und sehr gezielt auf ihre Aufgaben vorbereitet. Das Problem, das ich darin sehe ist vielmehr, dass sich Amateure und Freizeitreiter mitunter an den Trainingsmethoden des großen Sports orientieren. Und in diesen Bemühungen ihren Vorbildern nachzueifern, plötzlich eine große Eile an den Tag legen, die letztlich das betroffene Pferd unter enormen Druck setzt.

Ein Grund für eher frühes Anreiten, den ich egal ob von Sportreitern, Trainern oder Freizeitreitern immer wieder höre ist die Psychische Entwicklung des Pferdes. Ein Pferd, das zu spät unter den Sattel kommt, hätte „schon andere, eigene Vorstellungen vom Leben“, würde sich nicht mehr gefügig reiten lassen. Außerdem ist Zeit immer noch Geld, jeden Monat, jedes Jahr, das sich ein Jungpferd ohne „Nutzen“ in der Aufzucht befindet, kostet.

In meinen Augen sollte aber die Zeit im Training mit dem Pferd, egal in welchem Alter nur eine nebensächliche Rolle spielen. Mir sind die Jungpferde, die bereits von Anfang an eine solide Grunderziehung genossen haben, meist lieber, als solche, die weitestgehend unberührt in großen Jungpferdeherden verbracht haben. Zum einen bestehen in der Natur (mit Ausnahme von Bachelor-Herden) solche Zusammenschlüsse nicht, zum Anderen unterscheidet sich ein domestiziertes Pferd vom Wildpferd ganz grundlegend in dem Punkt, dass es lernen MUSS, mit dem Menschen zu kooperieren. Ich käme dennoch nicht auf die Idee, ein Pferd, welches mitten in einem Wachstumsschub ist, daher unausgeglichen und unausbalanciert, so schnell wie möglich unter den Sattel zu schicken, nur damit es nun geritten ist und „korrigiert“ werden kann. Stattdessen denke ich in diesem Zusammenhang an Michael Endes „Momo“:

„’Siehst Du, Momo‘, sagte er, ‚es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang, die kann man niemals schaffen, denkt man.‘
Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort:
‚Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst zu tun, und zum Schluss ist man ganz aus der Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem.
So darf man es nicht machen!‘

Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter:
‚Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst Du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, den nächsten Atemzug, den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur den nächsten.‘
Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte:
‚Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein…“

Ich finde die Jungpferdearbeit sollte ausgeglichen sein, immer wieder Neues bieten, in kleinen überlegten Schritten immer weiter in Richtung Reiten und/oder Fahren führen.  Und unterwegs gilt es für Alle Beteiligten vor allem Freude aneinander und am gemeinsamen Vorhaben zu entwickeln.